Design ist, wenn es gut aussieht

Das ist falsch. Viele Menschen bewerten die Schönheit von Dingen nur nach ihrem Äußeren, doch hinter dem Begriff Design steckt so viel mehr. Der Deutsche Designer Dieter Rams hat vor mehr als 20 Jahren 10 Thesen aufgestellt, an welchen sich gutes Design orientieren sollte – die gelten noch bis heute.

Gutes Design ist,…

…ganz objektiv betrachtet, natürlich auch Geschmacksache. Doch wie eingangs erwähnt, sollte man Dinge nicht nur nach ihrem Aussehen betrachten. Mal ein Beispiel: Jeder Mensch ist einzigartig in seiner Kombination. Typ A hat einen Modellkörper, ist sportlich und intelligent. Typ B hat vielleicht einen geringeren IQ, einen etwas größeren Bauchumfang und bevorzugt das Sofa gegenüber dem Fitnessstudio. Verständlicherweise würden viele den Typ A zum Beispiel bei der Partnerwahl erstmal bevorzugen. Doch wie es bestimmt jeder von uns schonmal erlebt hat, ist der Schönling/die Schöne manchmal ein Riesen Arschloch und der/die Andere, Unscheinbare der netteste Mensch, den man sich vorstellen kann.

Was hat das jetzt mit Design zu tun? Ästhetik ist ein wichtiger Bestandteil von gutem Design, doch er wird praktisch eliminiert, wenn der Gegenstand keinen Nutzen oder keine Message hat, nicht funktioniert oder eben wie Typ A, ein Arschloch ist. In Dieter Rams Worten: Gutes Design ist ästhetisch und Gutes Design macht ein Produkt brauchbar.

Die Vorstellung von gutem Design entwickelt sich weiter

So wie sich unsere Gesellschaft ständig weiterentwickelt, entwicklen sich auch die Anforderungen an gutes Design weiter. Vor allem ein Wort prägt gerade unseren Technologiemarkt: Innovation. Jeder schreit nach neuen, besseren, schnelleren Technologien. Der digitale Wandel, vorangetrieben durch für fast alle verfügbares Breitband-Internet, immer leistungsstärkere Prozessoren und Grafikchips die zum Beispiel unsere Augen mit gestochen scharfen Bildern beim Fernsehen oder Zocken versorgen, und allem voran den Smartphones, welche nicht mehr aus unserem Weltbild wegzudenken sind, hat uns in den letzten 10 bis 15 Jahren sehr verwöhnt. Doch irgendwie fühlt es sich so an, als würde dieser Wandel gerade etwas ins Stocken geraten.

Die Autoindustrie versucht sich seit Jahren an umweltfreundlichen Elektroautos, Smartphones der großen Hersteller sehen mittlerweile fast alle gleich aus und bieten nur noch selten neue, nützliche Funktionen und das Internet braucht auch nicht mehr schneller zu werden, sondern soll jetzt eher überall in gleicher Geschwindigkeit verfügbar sein. Aber muss man alle zwei Jahre ein neues Handy kaufen, oder alle fünf Jahre ein neues Auto? Nein, denn Gutes Design ist nicht nur innovativ, sondern auch langlebig.

Was nützt die schönste Benutzeroberfläche, wenn man sie nicht versteht

Bei dem Wirrwarr an Programmen und Apps, die wir benutzen, blickt mittlerweile sowieso keiner mehr durch. Für alles mögliche gibt es eine Softwarelösung. Doch die ist leider nicht immer so einfach zu verstehen. Bestes Beispiel: Der Kampf zwischen Google’s Betriebssystem Android und Apple’s iOS. Apple hat 2007 mit seinem neuartigen Bedien-Konzept Multi Touch und den über den Homescreen schnell zu erreichenden Apps sowie einer simplen Menüstruktur einen Riesen Erfolg gelandet. Google dachte, sich, na dann kopieren wir das mal – und scheiterte damit erstmal, da es für den normalen Nutzer einfach zu kompliziert zu Bedienen war. Mittlerweile sind allerdings beide auf einem ähnlich guten Niveau angekommen.

Ein weitere wichtiger Aspekt ist, dass ein Produkt, welches nur einen bestimmten Zweck erfüllen soll, nicht mit aufdringlichem Design aufwarten sollte. Stell dir einen Hammer vor, dessen Griff mit einem Blumenmuster verziert ist – passt irgendwie nicht so und macht auch keinen Sinn, oder? Genau deswegen haben Hammer meist einen stabilen, braunen Holzgriff und erfüllen optimal ihre Funktion. Gutes Design macht ein Produkt also verständlich und Gutes Design ist unaufdringlich.

Ehrlichkeit währt am längsten

Wer hat sich nicht schonmal über falsche Werbeversprechen geärgert? Vor allem in der Lebensmittelindustrie halten die Verpackungen nicht gerade immer, was sie versprechen. Oder man kauft sich ein Auto, weil es angeblich so Sprit-sparend sein soll – doch am Ende verbraucht es gerade so viel Benzin wie der alte Wagen. Diese Manipulationen enttäuschen den Verbraucher und lassen ihn beim nächsten Mal eine andere Kaufentscheidung treffen – an solchen Versprechen sind schon viele Unternehmen gescheitert – jüngstes Beispiel: Der Manipulationsskandal bei VW.

Womit wir bei einem weiteren Thema wären, nämlich unserer Umwelt. Auch hier hat sich das gesellschaftliche Denken in letzter Zeit sehr gewandelt. Unternehmen achten (zumindest angeblich) streng auf ihre Ökobilanz, viele boykottieren tierische Produkte oder kaufen nur noch Bio ein. Diese Entwicklung ist mehr als positiv, sie ist aber auch erzwungen, nachdem der Planet jahrzehntelang unter der fortschreitenden Industrialisierung litt. Unsere Produkte werden unter immer besseren Bedingungen, aus nachhaltigeren Materialien und mit immer weniger physischer und visueller Verschmutzung hergestellt. Gutes Design ist ehrlich und Gutes Design ist umweltfreundlich.

Noch so ein Spruch: Weniger ist manchmal mehr

Ist aber so! Ich erinnere mich an mein erstes Auto, einen Opel Corsa. Mit dem war ich echt ganz zufrieden, aber wenn ich an die Steuerkonsole zurückdenke, läuft es mir kalt den Rücken runter. Was ein Dschungel voller Knöpfe. Klassischer Überfluss. Dabei geht es doch meist so viel einfacher. Die Produkte, die auf das Wesentliche reduziert sind, bieten meistens die größte Freude. Mein Fernseher, der einfach nur ein gutes Bild und keine lästigen Smart TV Funktionen hat, leistet mir schon jahrelang treue Dienste. Ganz nach dem Motto: Zurück zum Puren, zum Einfachen!

Wenn jedes Produkt bis ins kleinste Detail gestaltet wäre, wäre jedes Produkt so viel besser. Es ist auch ein Ausdruck von Respekt gegenüber dem Verbraucher, wenn etwas auf den Punkt designed wurde, und nicht unfertig auf den Markt gebracht wird. Zufall ist bei guten Produkten absolut fehl am Platz – außer es ist ein Zufallsgenerator. Gutes Design ist konsequent bis ins Detail und allem voran ist Gutes Design so wenig Design wie möglich!

Mehr zu Dieter Rams und seinen Design Vorstellungen unter www.vitsoe.com

Was lehren uns also die 10 Thesen von Dieter Rams? Wir sollten lernen, die Dinge genauer zu betrachten und nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Es fließen so viele Aspekte in eine gute Kaufentscheidung ein – angefangen bei den Produktionsbedingungen, über das Thema Umwelt, bis hin zu funktionalem, langlebigem und möglichst einfachem Design. Wenn Du Dir das nächste mal etwas Neues anschaffst, behalte diese Aspekte im Hinterkopf und versuche, eine bewusstere Entscheidung zu treffen. Diese bewusstere Entscheidung kann für Dich und für alle anderen nur positive Folgen haben.

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Für alle Interessierte hier noch eine Buchempfehlung zum Thema Design: The Design of Everyday Things: Revised and Expanded Edition 

Bilder: Marcin WicharyNick Wade, With AssociatesEd Merritt, pablo:espinosaVitsoe